Doppelt stigmatisiert- Ausstellung
ab sofort im Staatsarchiv Bamberg

In der NS-Zeit wurden im Rahmen der sogenannten T4-Aktion Menschen mit körperlichen oder psychischen Erkrankungen aus Heil- und Pflegeanstalten in Tötungsanstalten verbracht oder durch gezielte Unterversor-gung vor Ort getötet. Aus der Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg, heute Teil des Bezirksklinikums Obermain des Bezirks Oberfranken, waren mehr als 400 Frauen und Männer betroffen. Die ersten zehn Opfer waren zudem jüdischer Abstammung und damit in der Zeit des Nationalsozialismus doppelt stigmatisiert. Ihnen ist eine Ausstellung gewidmet, erarbeitet von der Kultur- und Heimatpflege des Bezirks Oberfranken. Nach der ersten Station im Bezirksklinikum Obermain ist die Ausstellung ab Mittwoch, den 2. Juli 2025 im Staatsarchiv Bamberg zu sehen.
Im Mittelpunkt stehen die Biographien der zehn Opfer, mit Namen und weiteren Informationen, zumeist aus den Patientenakten der Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg. Die historischen Akten und Unterlagen der Heil- und Pflegeanstalt werden heute im Staatsarchiv Bamberg verwahrt und sind für die Forschung zugänglich.
Auf 21 Tafeln werden in der Ausstellung Hintergründe und Informationen zu den Vorgängen ab 1939 erklärt: Heil- und Pflegeanstalten im vereinigten Regierungsbezirk Ober- und Mittelfranken wurden aufgelöst, die Patientinnen und Patienten auf die Einrichtungen in Kutzenberg, Erlangen und Ansbach verteilt. Aus Kutzenberg erfolgte im Rahmen der T4-Aktion die Deportation in Tötungsanstalten. Insgesamt wurden so zwischen September 1940 und Juni 1941 mehr als 400 Frauen und Männer aus Kutzenberg ermordet, die meisten in Schloss Hartheim bei Linz. Proteste von Angehörigen und Kirchen stoppten im August 1941 das systematische Töten, doch viele Patientinnen und Patienten starben weiterhin durch Mangelversorgung, die sogenannte Hungerkost.
Analog zur zweifachen Stigmatisierung der Betroffenen ermöglicht die Ausstellung auch einen zweifachen Zugang zum Thema: Einerseits aus „medizinischer“ Sicht, da bei den Patienten eine psychische Erkrankung diagnostiziert war, die nach nationalsozialistischer Ideologie eine Gefahr für die Volksgesundheit darstellte. Andererseits aus rassenideologischer Sicht, die das Judentum als minderwertige „Rasse“ abqualifizierte, was zur Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung führte. Historische Fotografien besonders aus der Anfangszeit der Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg eröffnen in der Ausstellung Einblicke in den Anstaltsalltag. Die Ausstellung macht deutlich, zu welchen abscheulichen Taten Menschenverachtung und ideologische Verblendung im Nationalsozialismus führte.
„Die Ausstellung zeigt eindrucksvoll, welche wichtigen Informationen die im Staatsarchiv Bamberg aufbe-wahrten Unterlagen für die Rekonstruktion der Krankenmorde in der Zeit des Nationalsozialismus und der Biographien der davon Betroffenen bereithalten“, erläutert Generaldirektor der Staatlichen Archive, Dr. Bern-hard Grau.
Der Bezirk Oberfranken treibt mit der Ausstellung die Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit voran, zu der auch die ehemalige Heil- und Pflegeanstalt gehört. Er zeige damit Verantwortung für die Gesellschaft in der Gegenwart, betont Bezirkstagspräsident Henry Schramm. „Wir als Bezirk stehen heute für eine Gesellschaft ein, die sich um die Schwächeren kümmert, für sie da ist und ihnen die Chance gibt, aktiv am Leben teilzunehmen. Diese Verantwortung wurde von den Nationalsozialisten nicht wahrgenommen, schlimmer noch: die Schwächsten wurden kaltblütig ermordet“. Bezirksheimatpfleger Prof. Dr. Günter Dippold ergänzt. „Was bleibt, ist die Verantwortung, an die Opfer jenes Mordens zu erinnern und Verantwortung für das eigene Tun“. Die kleine Ausstellung solle nur der Anfang sein für die überfällige Forschung zu Opfern, aber auch zu den Tätern und den Vorgängen in Oberfranken.
Die Ausstellung ist vom 2. Juli bis 26. September 2025 im Staatsarchiv Bamberg (Hainstraße 39, 96047 Bamberg) zu den Öffnungszeiten des Archivs zu sehen (Montag und Donnerstag 8–16 Uhr, Dienstag und Mittwoch 8–18 Uhr, Freitag 8–12.30 Uhr); geschlossen an allen gesetzlichen Feiertagen. Eintritt frei.
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